Teil 1: 1935 – 1966 // von Gastautor Michael Volkmann
Das Jahr 1935 war gleich in zweifacher Hinsicht für die (Eishockey)-Geschichte der Sportstadt Düsseldorf ein ganz besonderes: Fertigstellung des „Eisstadion an der Brehmstraße“ sowie Gründung der Düsseldorfer Eislauf-Gemeinschaft (DEG). Und zwar genau in dieser Reihenfolge.
Man kann nur noch mutmaßen, was zu dieser Zeit im Kopf Dr. Ernst Poensgens vorging, als er sich anschickte eine wunderbar wahnsinnige Kühnheit in die Tat umzusetzen: Eissport. Außerhalb von Bayern. Auf Kunsteis. Ein Stadion mit 8.000 Plätzen. RUMMS! Einen Eishockey-Verein gab es zu dem Zeitpunkt in Düsseldorf ja noch gar nicht (und lediglich mit „Verlobungs-Eislaufen“ ließe sich eine solche Stätte auch nicht dauerhaft auslasten). Also initiierte Poensgen gleich auch noch die Gründung eines Vereins, welcher dauerhaft das Eisstadion als Heimstätte nutzen sollte. Am 8. November 1935 war es soweit und die Düsseldorfer EG erblickte das Licht der Welt. Was man in der damaligen Zeit durchaus noch wörtlich nehmen konnte, war das Eisstadion bis 1969 noch komplett offen.
Tatsächlich ging die Düsseldorfer EG unmittelbar nach ihrer Gründung schnell in die Vollen. Unter dem kanadischen Trainer Bobby Bell wurde auf professionellem Niveau trainiert – sowohl in der 1. Mannschaft als auch in den Nachwuchsteams. So konnte die DEG gleich in ihren ersten Jahren Achtungserfolge und dritte Plätze bei Meisterschaften feiern. Besser waren oftmals der Berliner Schlittschuhclub (20 Meisterschaften) sowie abwechselnde bayrische Mannschaften (Riessersee, Füssen, Bad Tölz). Aber damit nicht genug. Auch die Eiskunstläufer konnten mit ihrem Trainer Werner Rittberger (DER „doppelte Rittberger“) einige Erfolge erzielen und das Publikum begeistern. Höhepunkte in der noch jungen DEG-Geschichte. Gleich in zwei Sportarten.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Entwicklung der DEG jäh gestoppt. Es durfte nur noch tagsüber gespielt werden, die Versorgung mit Ausrüstung aus Kanada versiegte mehr oder minder, man musste sich mit äußerst kreativen Eigenkreationen behelfen. Auch tagsüber war man zudem nicht unbedingt vor Bomben sicher. So ist eine Geschichte überliefert, dass es während eines Eishockeyspiels Luftalarm gab. Spieler und Zuschauer begaben sich in Sicherheit, als das Eisstadion von zwei kleineren Bomben am Nordrand getroffen wurde. Nach der Entwarnung wurde der Schutt weggeräumt und das Spiel fortgesetzt.
Hatte man es noch irgendwie halbwegs unbeschadet durch die ersten Kriegsjahre geschafft, wurden die Probleme zum Ende hin immer gravierender. Die ständigen Luftangriffe der Alliierten legten den Stadtteil und das Stadion in Schutt und Asche. Zudem fielen viele Spieler dem Krieg zum Opfer, so dass nach 1945 nicht mehr viel vom Eisstadion an der Brehmstraße und der DEG übrig war. Man behalf sich dadurch, dass man nach Krefeld (wo inzwischen ein neues Eissportzentrum entstanden war) auswich, dort trainierte und auch die ersten Spiele austrug. Zumindest solange, bis die Brehmstraße wieder vom Schutt befreit und bespielbar war. Immerhin wurde im Zuge der Wiederherstellung die Zuschauerkapazität auf über 10.000 erhöht.
In dieser Zeit und auch in den folgenden Nachkriegsjahren spielte die Düsseldorfer EG keine große Rolle mehr (ebenso wie der Berliner Schlittschuhclub). Dafür übernahmen bayrische Mannschaften aufgrund der natürlichen Gegebenheiten mehr und mehr das Zepter. Die DEG hingegen pendelte zwischen der Ober- und der Landesliga hin und her. Das änderte sich auch (noch) nicht mit der Einführung der Eishockey-Bundesliga 1958. Gegen die damaligen Eishockey-Hochburgen aus Bayern hatte die DEG schlichtweg keine Chance, man stieg wieder ab und kämpfte sich fortan in den folgenden Jahren durch die Oberliga. 1965 ging es (endlich!) wieder in die Bundesliga. Mit richtig viel Rückenwind: die Zuschauerzahlen hatten sich konstant bei rund 6.000 pro Spiel eingependelt, die Mannschaft um ihren Torwart Rainer Gossmann war spielstark und souverän durch das letzte Oberligajahr spaziert, zudem landete man bereits im letzten Oberligajahr gleich mehrere Transfercoups. Die DEG war gekommen, um zu bleiben.
Und nicht nur das. Bereits 1964 gelang der DEG nicht nur eine sondern gleich drei Transfersensationen: mit Otto Schneitberger und Sepp Reif konnten man gleich zwei herausragende Akteure aus Bad Tölz nach Düsseldorf locken. Was heute ein normaler Vorgang ist und maximal mit einem leichten Aufflammen in irgendwelchen sozialen Netzwerken begleitet wird, war in der damaligen Zeit – aus Sicht des EC Bad Tölz – nichts anderes als Verrat und für den Rest der Eishockeywelt schlichtweg ein Hammer, eine Kampfansage, unglaublich und unvorstellbar. Tatsächlich gab es solch einen Vorgang bis dato nicht. Beide Spieler wollten sich eigentlich nur noch ihrem Beruf widmen und dafür das Eishockey an den Nagel hängen. Diese Kunde drang nach Düsseldorf und hier konnte die Großstadt mehr berufliche Perspektive bieten als der Isarwinkel. Der EC Bad Tölz schaffte es immerhin noch, eine 18-monatige Sperre für beide Spieler zu erwirken, so dass sie nicht sofort für die DEG aktiv werden konnten. Vergleichsweise geräuschlos ging dafür der Wechsel des Tölzer Meisterspieler/Trainers Hans Rampf an die Brehmstraße über die Bühne. Der Aufsteiger 1965 war damit schon ein kleiner Favorit auf den Titel. Das Fundament für eine erfolgreiche Zukunft war gelegt. Die Fans honorierten diese Entwicklung entsprechend: es bildeten sich lange, lange, lange Schlangen vor Spielen an den Kassenhäuschen, die Brehmstraße war konstant gut gefüllt, Tickets waren Mangelware und wer noch eines ergattern konnte, gab es so schnell nicht mehr her. Um an die immer heißer begehrten Dauerkarten zu kommen, kamen Fans sogar mit den Totenscheinen ihrer Angehörigen, um diese Tickets quasi zu erben.
1966 wurde man schon Dritter. Ein Jahr später war es dann aber endlich soweit. Nach erfolgreicher Vor- und Meisterrunde stand die DEG am Ende der Saison auf dem Platz an der Sonne. Hatten in den 15 Jahren zuvor noch der EV Füssen, SC Riessersee und EC Bad Tölz die Meisterschaften unter sich ausgemacht, war diese Dominanz nun hochoffiziell beendet worden – von unserer DEG. Otto Schneitberger wurde zu Atom-Schneitberger und sowas wie der erste echte Superstar der Düsseldorfer EG. Die Euphorie bei den zahlreichen Anhängern der DEG kannte fortan keine Grenzen mehr: der Mythos Düsseldorfer EG mitsamt ihrer Brehmstraße war endgültig geboren. Beide sollten in den folgenden Jahren und Jahrzehnten weit über Düsseldorfs Stadtgrenzen hinaus Berühmtheit erlangen.
tl;dr Aus einer wahnwitzigen Idee wird ein Mythos, welcher der Witterung, dem Krieg trotzen und die Dominanz der bayrischen Vereine schlussendlich brechen konnte.
Quellen
– DEG Superstar. 40 Jahre Düsseldorfer Eislaufgemeinschaft e.V.
– Unsere Brehmstraße. Geschichte und Geschichten eines Stadions
– Entstehungsgeschichte Düsseldorf, Eishockey-Online.com
– Ein Eishockey-Märchen aus Düsseldorf, Spiegel Online
– Die Düsseldorfer EG: Titel, Tränen und Triumphe! Düsseldorfer EG
– Düsseldorfer EG, Eisstadion an der Brehmstraße, Ernst Poensgen alle de.wikipedia.org